Wer Eigentümer einer Liegenschaft ist, darf sie im Rahmen der Widmung und des gesetzlichen Rahmens in jeder zulässigen Art und Weise nutzen: Er darf darauf bauen, gehen und fahren, sie vermieten oder verpachten und die Früchte ernten, die auf ihr wachsen. Im Gegenzug muss er auch alle Lasten tragen, die mit der Liegenschaft verbunden sind, insbesondere Steuern und Abgaben.
Der Eigentümer kann daher auch anderen Personen gewisse Rechte an seiner Liegenschaft einräumen: Er kann seinem Nachbarn gestatten, über seinen eigenen Grund zu gehen oder einem anderen Landwirt erlauben, Vieh auf seine Weide zu treiben. Solche Rechte einzuräumen, bedeutet für den Berechtigten einen wirtschaftlichen Nutzen und für die eigene Liegenschaft eine Belastung. Sie wird durch das Recht eines anderen in ihrem Wert, vor allem im Falle der Veräußerung, gemindert.
Rechte und Lasten sind also zwei Seiten desselben Vorganges, ähnlich wie Soll und Haben in der Buchhaltung. Aus diesem Grund will der Eigentümer wissen, wieviel er für das zu übertragende Recht verlangen soll; den Erwerber des Rechtes interessiert, welchen Betrag er dafür zahlen muss.
Natürlich kann man diese Bewertung der freien Verhandlung oder „dem Markt“ überlassen. Empfehlenswerter ist es jedoch, den Wert von erfahrenen Liegenschaftsexperten ermitteln zu lassen – zumindest als Verhandlungsgrundlage.
Typische Rechte und Lasten an Liegenschaften
Juristisch gesehen werden mehrere Gruppen an Rechten und Lasten an Liegenschaften unterteilt. Vorrangig handelt es sich Grunddienstbarkeiten und persönlichen Dienstbarkeiten (Personalservitute) Darüber hinaus existieren noch Reallasten, Vorkaufs- und Wiederkaufsrechte sowie Verfügungsbeschränkungen.
Grunddienstbarkeiten
Grunddienstbarkeiten dienen dazu, eine andere Liegenschaft besser nutzbar zu machen. Begünstigter ist daher nicht eine bestimmte Person, sondern ein anderes Grundstück bzw. dessen Eigentümer. Wird das begünstigte Grundstück veräußert, verschenkt oder vererbt, geht auch die Dienstbarkeit auf den neuen Eigentümer über.
Geh- und Wegerecht
Ein Geh- und Wegerecht erlaubt dem Begünstigten, das dienende (belastete) Grundstück zu Fuß oder mit einem Fahrzeug zu überqueren. Was dem Begünstigten genau gestattet ist, kann vertraglich festgelegt werden.
Weiderecht
Das Weiderecht gestattet es dem Begünstigtem, sein Vieh auf dem dienenden Grundstück weiden zu lassen. Häufig handelt es sich beim Begünstigten um ein anderes landwirtschaftlich genutztes Grundstück.
Holzbezugsrecht
Viele, vorwiegend bäuerliche, Liegenschaften decken ihren Holzbedarf nicht aus eigenen Waldbeständen, sondern durch ein Holzbezugsrecht, das zugunsten ihrer Liegenschaft eingeräumt wurde. Umfang, Art und Nutzungsmodalitäten eines Holznutzungsrechtes sind jeweils vertraglich geregelt.
Wasserbezugsrecht
Befindet sich auf einem Grundstück eine Quelle, so kann der Eigentümer Anderen die Nutzung des Quellwassers gestatten, indem er ein Wasserbezugsrecht einräumt. In der vertraglichen Vereinbarung kann unter anderem geregelt werden, ob das Wasser nur für den Eigenbedarf zur Verfügung steht, oder an Dritte weitergegeben werden darf, ob die Menge des nutzbaren Wassers eingeschränkt wird und ob das Recht zeitlich unbefristet oder befristet eingeräumt wird.
Leitungs- und Tunnelrechte
Diese beiden Rechte beziehen sich vorrangig, aber nicht ausschließlich, auf Versorgungsunternehmen und gestatten es dem Berechtigten Strom-, Gas, Kanal- und andere Leitungen im belasteten Grundstück zu verlegen oder Tunnelschächte zu errichten.
Recht auf Licht, Aussicht und Dachtraufe
Neben den oben beschriebenen Dienstbarkeiten gibt es noch viele weitere. Insbesondere im Zusammenhang mit Gebäuden wird zwischen benachbarten Grundstücken im Bedarfsfall das Recht auf (natürliches) Licht, auf Aussicht und auf die Ableitung von Regenwasser aus der Dachtraufe vereinbart.
Persönliche Dienstbarkeiten
Im Gegensatz zu Grund- oder Gebäudedienstbarkeiten stehen persönliche Dienstbarkeiten einer bestimmten Person zu. Dem Berechtigten soll durch die Dienstbarkeit ein persönlicher wirtschaftlicher Vorteil verschafft werden. Daher erlischt die persönliche Dienstbarkeit mit dem Tod des Berechtigten.
Die gängigsten persönlichen Dienstbarkeiten sind das Fruchtgenuss-, das Gebrauchs- und das Wohnungsrecht als Sonderform des Gebrauchsrechts.
Das Fruchtgenussrecht unterscheidet sich vom Gebrauchsrecht im zulässigen Umfang der Nutzung. Während der Fruchtgenuss eine uneingeschränkte Nutzung erlaubt, gesteht das Gebrauchsrecht lediglich eine Nutzung zum Eigenbedarf zu.
Wie lassen sich Rechte und Lasten bewerten?
Grunddienstbarkeiten verschaffen einer anderen Liegenschaft einen wirtschaftlichen Vorteil, persönliche Dienstbarkeiten einer anderen Person. Dienstbarkeiten haben daher für den Berechtigten einen Wert, gleichzeitig belasten sie (wirtschaftlich betrachtet) die dienende Liegenschaft. Im Fall einer Veräußerung ist sie in der Regel weniger wert, als ohne die gewährte Dienstbarkeit.
Welcher Geldwert für eine Dienstbarkeit konkret angemessen ist, richtet sich daher vorrangig nach zwei Faktoren: Erstens nach dem Nutzen für den Berechtigten sowie dem wirtschaftlichen Nachteil für den Eigentümer der belasteten Liegenschaft. Und zweitens danach, wie der (Liegenschafts-)Markt auf eine eingetragene Dienstbarkeit reagiert.
Ein Beispiel soll diese beiden Betrachtungen erläutern: An einem großen Grundstück, das als Baugrund gewidmet ist, jedoch vom derzeitigen Eigentümer landwirtschaftlich genutzt wird, soll ein Wegerecht zugunsten des Nachbargrundstücks eingeräumt werden. Die unmittelbare wirtschaftliche Belastung für den derzeitigen Eigentümer ist relativ gering – er ist in seiner Nutzung kaum beeinträchtigt. Im Falle der Veräußerung wäre jedoch mit einer erheblichen Reduktion des Verkaufserlöses zu rechnen, weil die Überfahrt mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen die Wohnqualität künftiger Eigentümer stark einschränken würde.
Ein weiterer wesentlicher Faktor ist, in welcher Intensität das Recht oder die Belastung gelebt wird. Es ist sohin neben dem Verkehrswert einer begünstigten- oder belasteten Liegenschaft auch der Barwert einer Belastung oder Begünstigung zu ermitteln.
Der Wert von Dienstbarkeiten lässt sich somit nicht allgemein oder generell beantworten, sondern richtet sich immer nach dem konkreten Einzelfall. Normative Grundlagen als auch entsprechende Regelungen für die Bewertung von Rechten und Lasten finden sich im Liegenschaftsbewertungsgesetz 1992 idgF. sowie in der ÖNORM B 1802-1. In der Praxis wird die Bewertung von Rechten und Lasten auf Liegenschaften von einem Sachverständigen mit finanzmathematischen Methoden unter Berücksichtigung aller relevanten wertbestimmenden Faktoren ermittelt.